Part 3, Vail to Kearny (145 Meilen/ 233 km)

Bloody your hands on a cactus tree, wipe it on your shirt and send it to me.

by Myrtis
Der heutige Beitrag steht ganz im Zeichen des Kaktus, also legt euch Bowie‘s Cover vom Pixies song „Cactus“ auf, oder das Original, meinetwegen auch etwas wüstenartiges von Calexico.
Zuerst ein paar Namen und Dank:
-Danke an den Dudu fürs zurecht schneiden unseres Zeltgestänge.
-Danke an Solli für die Rettung unseres Blogs, sonst könnte ich jetzt gar nicht schreiben. Ihr könnt ihm gerne ein paar Opfergaben hinwerfen.
-Danke an Logan fürs Trail Angel spielen!
-Danke an alle, die fleißig kommentiert haben ♥️
-Danke an Globetrotter, die uns netterweise einen Teil unserer Ausrüstung gesponsert haben!
-Danke Daniel, dass du mich, obwohl ich nicht mehr im Team bin, auf dem laufenden hältst!
-Danke Nick Cave, der mich mit seiner Stimme dann doch immer über den letzten Hügel geleitet hat!
Wir verbringen dann tatsächlich 2 Nächte bei Joanne, da Thomas jetzt erkältet ist. Joanne ist schon eine Nummer: klein, dürre Beinchen in bunten Leggins, knallrot gefärbte Haare und ca Ende 70, hat 10 Jahre in Japan gelebt und an einer Militärbasis Englisch unterrichtet und nimmt nun gegen etwas Geld hiker in ihrem Haus in Vail auf. Zudem fährt sie uns auch zum Einkaufen, damit wir nicht laufen müssen. Nebenbei kümmert sie sich noch um diverse Hunde und Katzen, deren Besitzer im Urlaub sind. Diese Frau hat echt einen vollen Terminkalender.
Außerdem hat sie einen wunderschönen Hund, Hutchy! Die meiste Zeit verbringe ich in ihrem Garten, einfach im Schatten sitzend.
Am Sonntag geht es Thomas dann besser, und wir können aufbrechen!
Auf diesen Abschnitt des AZT hab ich mich schon gefreut, da wir nun den Saguaro National Park betreten! Schon im Winter bin ich in Gedanken immer wieder durch einen Saguaro-Wald spaziert. Diese Kakteen können bis zu 20 Meter hoch werden, bilden seitlich mehrere Arme aus und werden ca 200 Jahre alt. Irre. Als die ersten Exemplare auftauchen und sich dann verdichten, laufen wir wirklich durch einen Kaktuswald! Mein Verstand kippt gerade, mein Hirn schnappt über, ich weiß nicht, wo ich zuerst hinsehen soll, wo anfangen, wo aufhören, aus welcher Perspektive Fotos machen???? Wie eine Irre renne ich durch und um diese eigentümlichen Pflanzen.
Da ich fast schon wieder so durchgeknallt bin, wie damals im Bayon Tempel in Angkor (hallo? 200 sieben Meter lange Buddha Gesichter, die einen aus jedem Winkel anstarren?), vergesse ich vor Glück und Aufregung zu trinken, und kriege natürlich einen Sonnenstich. Mit fiesem Kopfschmerz und vor mich hin würgend verbannt mich Thomas in den Schatten, wo ich Wasser in mich hineinschütte.
In den nächsten Tagen steigen wir auf Mount Mica auf (ca 2800 m) und können so der Hitze der Wüste für eine kurze Zeit entfliehen. Hier oben ist es angenehm kühl, die Pinien duften nur für mich und es gibt tatsächlich richtiges Wasser! Wir verbringen die Mittagspause an den Überresten eines Flusses, der uns aber freundlicherweise kleine, etwas sumpfige Pools hinterlassen hat, und trinken bis zum Anschlag. Das komische Bellen, das wir im Wald hören, stellt sich als Balzruf eines Truthahns heraus, der kurz über den Weg hüpft und dann im Dickicht verschwindet. Leider müssen wir die Pinienwälder wieder verlassen, es geht erneut nach unten in die Feuer Hölle. Diese macht mir am nächsten Tag sehr zu schaffen, ich hatte mir einen lässigen 20 Meilen Tag vorgestellt, mit 2 kleinen Hügelchen. Die Hügelchen entpuppen sich als Wüsten-Monster-Berge und ich schimpfe und keuche und will bitte sofort über den Styx gleiten. Kaum ist das geschafft, steht als nächstes Mount Lemmon an. Natürlich auch auf 2800 Metern.
Mount Lemmon klingt so wunderschön, so süß und unschuldig, wie Zitronenkekse, die im Mund schmelzen, wie das Prickeln einer kalten Limonade auf der Zunge. In meinem Hirn tanzen auf dessen Gipfel Füchse mit Eichhörnchen Ringelreihen und konsumieren den ganzen Tag besagte Kekse und Limonade. Wenn man sich in der Navigations App dann aber das Höhenprofil ansieht, entblößt der Berg seine ganze Boshaftigkeit.
Um nicht wieder einen Riesen Schädel zu bekommen, werfe ich mir vorher eine Diamox gegen Höhenkrankheit ein und letztendlich ist dann alles nicht so schlimm, wie gedacht. Die Hölle sind nur die eigenen Gedanken.
Dort oben führt uns der Trail durch den kleinen Skiort Summerhaven und da ich den ganzen Aufstieg schon mantra-artig „Kaffee, Cola, Eiscreme“ vor mich hingemurmelt habe, hole ich mir genau das. Die süße Mitarbeiterin sagt mir, dass für hiker der Kaffee for free ist. Woran sie jetzt wohl genau erkannt hat, dass ich eine hikerin bin? An meinem verkrusteten dreckigen hellblauen Fuchs-hoody, oder an meinem Geruch? Auf jeden Fall bin ich glücklich und zufrieden mit meiner Beute. Am Abend laufen wir über einen wunderschönen Grat, versuchen, noch ein paar Meilen zu machen, um einen Tag früher in die Stadt zu kommen. Wir brauchen beide eine Dusche und was Gescheites zu essen!
Ihr kennt bestimmt das Gefühl, wenn man sich auf etwas freut, das dann nicht eintritt. Ich freue mich so dermaßen auf einen Stadt Tag, aber in der doofen Stadt Oracle ist tatsächlich kein einziges Zimmer frei. Auch Anne, die gerne hiker aufnimmt, ist voll! Ich bin super schlecht gelaunt, grantle rum und würde mich am liebsten wie ein Kleinkind im Supermarkt heulend auf den Boden werfen und mir dann alle Klamotten vom Leib reißen. Dann fällt mir ein, dass ich dieses Jahr 48 werde und lasse es erstmal. Wir gehen trotzdem schnell etwas essen, leider fällt dann in diesem einzigen Café im Ort das Wasser aus. Wäre ja auch zu schön, sich mal nach 5 Tagen das Gesicht waschen zu können. Es wäre auch schön gewesen, die Toilette benutzen zu können, nachdem man Unmengen von Essen in sich hineingestopft hat. Als ich dann erst einem Mitarbeiter der Tankstelle fast alles verspreche, wenn ich nur jetzt sofort bitte sein Klo benutzen darf und mich danach wie der letzte Penner völlig zerzaust in das letzte Fitzelchen Schatten quetsche, das eine Kühltruhe vor dem Supermarkt spendet, wird mir klar: yes, ich habe mein Zivilisations- Kostüm endgültig abgestreift und bin wieder komplett hikerin. Wie schön!
Zum Glück sind es nur 65 Meilen in die nächste Stadt Kearny. Die Wüste zeigt uns hier ihre unglaubliche Vielfalt. Saguaros erscheinen und verschwinden wieder, ein Meer von prickling pear Kakteen breitet sich vor uns aus. Neu sind auch die Chollas, sehr hübsche, jedoch auch gemeingefährliche Kakteen! Nur kurz bleibe ich an so einem Exemplar hängen und habe schon ca 10 Mikadostäbchen-große Spieße im Arm stecken! Mein hellblauer Fuchs-Hoody färbt sich rot und ich versuche, die Teile irgendwie rauszuziehen. Da die Stachel Widerhaken besitzen, ist das gar nicht so einfach und auch ziemlich schmerzhaft! Kurz denke ich, dass den Arm einfach abzuhacken einfacher wäre, verwerfe den Gedanken aber wieder. Nach langem Ziehen und Zerren kann ich mich befreien.
Nachts heulen die Kojoten den Mond an und am Morgen besteigen wir wieder Hügel, die wie schlafende Riesen vor uns liegen. Kaleidoskopartig tanzt das Licht mit dem Schatten unter einer allumfassenden Diamantensonne. Wir treffen Michael und Allie, die ein Stück des AZT laufen und Steady, der ihn ganz laufen möchte. Es ist schön, mal wieder andere hiker zu treffen und sich auszutauschen, trotz allem trauere ich immer noch cliffhanger hinterher, der schon viel weiter ist.
Am letzten Abend zelten wir hoch oben auf einem Grat und kriegen noch unerwarteten Besuch von boomerang aus Germany. Wir sitzen eingepackt und fröstelnd im kalten Wind vor unserem Zelt und er rast wie der Blitz in Shorts und dünner Jacke über die Hügel auf uns zu. Boomerang war auch 2022 auf dem CDT wie wir, aber nicht nur das: er war auch auf dem PCT und dem AT, hat also die triple crown in einem Jahr erlaufen! Deswegen fliegt er auch noch ein paar Meilen weiter an diesem Abend.
Am nächsten Morgen, wohlgemerkt dem 8. Tag in der Wildnis, sehen wir Wildschweine! Mehrmals kreuzen sie unseren Weg und sprengen dann erschrocken in alle Richtungen davon. Als uns zwei Cowboys auf Pferden frohe Ostern wünschen, sind wir ganz erstaunt. Ostern? Ok. Wir haben völlig das Zeitgefühl verloren. Am Highway bekommen wir einen hitch und begeben uns zu Jeff und Que, trailangel, die uns ein Zimmer in ihrem Häuschen überlassen.
Endlich duschen!
Wenn ihr die Saguaro Kakteen sehen wollt, sowohl auf meinem Facebook Account, als auch auf unserem YouTube Channel sind Videos gepostet. Ihr müsst halt meine Stimme ertragen .
Happy trails, happy foxes, happy life!

5 thoughts on “Part 3, Vail to Kearny (145 Meilen/ 233 km)

  1. Myrtis wie immer ist dein Bericht so lebhaft das man meint dabei zu sein. Wow da habt ihr ja scho viele Kilometer geschafft. Ihr seid Spitze. Weiterhin alles gute für euch und einen guten Hike .

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