Mexican border to Patagonia

Part 1: Mexican border to Patagonia (52 Meilen/ 83 km)

Mir ist kalt. Ich friere. Immerzu und andauernd.
Als wir uns das letzte Stück zum Miller Peak hinaufschleppen, fegt mich eine eisige Böe fast vom Trail. Ich würde gerne anhalten, einfach weil ich nicht mehr kann, aber es ist zu kalt.
So eisig hatten wir uns das ganze nicht vorgestellt, als wir gestern noch in Tucson in der Wärme gechillt haben:

Nach einer problemlosen Einreise und einem Anschlussflug nach Tucson/ Arizona sind wir um halb eins ( bei euch 9 Uhr früh) so fertig, dass wir ohne Dusche und Essen ins bequeme Bett steigen.
Ewig könnte ich mich am Morgen in den flauschigen Federn wälzen, aber wir haben volles Programm.
Logan aus Luxemburg, den wir vom CDT kennen, holt uns zum resupply einkaufen ab. Er ist ca 3 Wochen vor uns gestartet und hatte – zu unserem Glück- einen Hexenschuss. Nun ist er off-trail, spielt für uns Trailangel und chauffiert uns durch Tucson. Logan ist entweder eine 1 oder eine 0. Heute ist er eine 1 und will Party. Nachdem er uns zum Mittagessen eingeladen hat ( mit Schnaps-Runden ) trinken wir Bier und Margaritas und reden über das Hiker-Dasein. Mit Hikern ist es genau so, wie mit alten Freunden, die man Jahre nicht gesehen hat: man knüpft dort an, wo man damals aufgehört hat. Es ist unglaublich einfach.

Am nächsten Tag futtern wir um 6 Uhr morgens noch schnell alles vom Frühstücksbuffet, was geht und werden um halb 7 abgeholt und zum Trail gefahren.
Außer uns starten heute noch 7 andere Hiker, alle sind schon einen oder mehrere der großen Trails gelaufen, denn der AZT ist nichts für Anfänger.
Als wir auf 1500 Meter aussteigen, ist es eisig! Der Wind ist fies und gemeinerweise müssen wir erstmal ca 3 km zum Monument laufen. Ich hasse extra- Meilen! Zudem lässt sich einer meiner Trekking poles nicht öffnen. Ich muss zugeben, dass ich das Problem schon öfter hatte. Es aber ignoriert habe. Es ist ja nicht so, dass ich zufällig in einem Outdoor- Laden gearbeitet hätte, wo man das mal hätte checken können …..
Thomas weiß genau, dass er jetzt mit gutgemeinten Ratschlägen aufhören muss, denn ich grantle die 3 km so vor mich hin. Auf dem CDT 2022 hatte ich sofort ein enormes Gefühl von Freiheit verspürt, jetzt bin ich tödlich genervt und eine tickende Zeitbombe.
Zum Glück für alle Beteiligten lässt sich mein Trekking Pole am Monument auf wundersame Weise wieder öffnen und da stehen wir. An der Grenze, an einem Stacheldrahtzaun.
Nun geht es die schon gelaufenen 3 km wieder zurück und dann beginnt auch schon der Aufstieg auf den Miller Peak. 3 der Jungs, die mit uns angereist sind, sind sowas von ultralight unterwegs, dass ich die fragen muss, ob sie überhaupt einen Schlafsack haben. „Ultralight – cold at night“ witzeln sie (noch).
Jeder AZT- hiker sagt, dass der 1. Tag der schlimmste ist. Der 1. Aufstieg der schrecklichste des ganzen trails. Liegt vielleicht daran, dass man untrainiert, mit dem ganzen Essen für diese Etappe und mit möglichst viel Wasser diesen Anstieg startet. Bei uns kommt noch ein Jetlag und ein Logan- Kater dazu. Viele sagen, Miller ist ein Monster, oder ein Biest.
Ich würde hier noch weiter gehen und hätte andere Namen. 1000 hm auf 5 Meilen verteilt im Kaltstart mit schwerem Rucksack fordern ihren Tribut: um 16 Uhr sitzen wir alle am 1. Wassertrog zusammen, die „ultralight, cold at night“ – Jungs laufen noch weiter, wir bleiben einfach hier. Sobald die Sonne hinter dem Berg versinkt, flüchten wir wie Motten vor dem Licht in unsere Zelte. Um sechs Uhr schlafen wir bibbernd und zitternd endlich ein, am Morgen ist der Trog komplett gefroren.
Es bleibt kalt und eisig die nächsten Tage, wir sind aber ja auch fast auf 3000 Metern Höhe angelangt. Als wir absteigen, nehme ich zum ersten Mal endlich den Geruch der Pinien wahr. Dieser Geruch ist für mich die absolute Essenz von Freiheit und Abenteuer. Am liebsten würde ich ihn in Flaschen abfüllen und in Schreckens-Momenten daran schnüffeln. Es wird wüstiger, aber nicht viel wärmer. In den Pausen sitzen wir mit unseren Daunen- Jacken da und frieren. Die Landschaft aber ist unglaublich. Am Ende des 2. Tages treffen wir „cliffhanger“, mit dem wir uns auf Anhieb verstehen.
Cliffhanger ist 30, super-sweet und wahnsinnig witzig für einen Ami. Mit ihm und „Snickers“ verbringen wir die Mittagspause, auf einen Kuh-Tümpel starrend.
Am letzen Abend zelten wir mit cliffhanger 10 Meilen vor Patagonia, Ich bin ziemlich fertig, weil mich irgendjemand scheinbar vor unserem Abflug mit Erkältungs-Viren bedacht hat. Trotz allem sind wir heute 20 Meilen (32 km) gelaufen.
Am Morgen laufen wir um 5 Uhr los, um so früh wie möglich in der Stadt zu sein.
Wieder ändert sich die Landschaft ein wenig, die Kakteen weichen grünen Bäumen, es ist ein magischer Morgen. Wenn ich nach Tagen in der Wildnis Richtung Zivilisation laufe, fühle ich mich wie ein Westernheld, der in seine Stadt zurückkehrt, gezeichnet von unbeschreiblichen Abenteuern dort draußen, über die man vielsagend lächelt und schweigt. Und jetzt spüre ich sie endlich, die unendliche Freiheit, der ich immer wie besessen hinterherjage. Ich denke es, und Thomas spricht es aus: „Ich liebe es, hier draußen zu sein.“
Wir bekommen mit cliffhanger relativ schnell einen hitch nach Patagonia.
Traditionell gehen wir direkt vom Trail kommend in unseren stinke-Klamotten frühstücken. Snickers gesellt sich zu uns und ich bekomme Kaffee. Endlich. Pures Glück.
In Patagonia schlafen wir in „Terra Sol“, ein Hippie-Campingplatz, wo man duschen und Wäsche waschen kann. Logan kommt uns auch nochmal besuchen, ihm ist anscheinend langweilig. Da es mir nicht sonderlich gut geht, bleiben wir noch eine Nacht in Terra Sol, meine Stimme ist mittlerweile fast komplett verschwunden, aber das Rumgehänge macht es auch nicht besser. Ich bräuchte ein Bett und Ruhe, das gibt es aber eben nicht. So werfe ich mir einfach ein paar Nyquil von Mike ein und hoffe, das morgen alles besser ist.

Happy trails, happy foxes, happy life!

7 thoughts on “Mexican border to Patagonia

  1. Servus liebe MuT,
    wunderschöne Beschreibung und ganz gute Besserung! Es kann nur noch bergauf gehen
    Ihr seid für mich ein Vorbild, über die eigenen Grenzen zu gehen! Lassts krache.
    Eure Corinna

  2. Es macht richtig Spaß, deinen Text zu lesen
    Du machst das wirklich toll – ich kann mir alles richtig gut vorstellen
    Macht’s es gut und hoffentlich wird’s bei euch beiden schnell wieder richtig gut, sodass ihr alles in vollen Zügen genießen könnt

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