Days 107 – 114

Dubois – West Yellowstone 

Es gibt viele hiker-Geschichten über Bären, manche sind vielleicht urban legends, doch die Geschichte, die Thomas das letzte mal kurz erwähnt hat, ist wahr: eine hikerin nimmt sich die Pizza vom Vortag mit auf den Trail, nach einem Besuch in der Stadt ist es immer schön, nicht sofort wieder nur Tortillas und Ramen zu essen. Allerdings macht sie den Fehler, im Grizzly Gebiet in ihrem Zelt zu essen. Bären haben einen wahnsinnig guten Geruchssinn. Der Bär hat sie nicht nur getötet, er hat sie gerissen, zerfleddert und halb gefressen. Eine Mordssauerei. Bären töten, indem sie sich auf einen setzen und einem die Luft abdrücken. Bestimmt kein schöner Tod. Deswegen essen wir hier immer 2 Meilen, bevor wir unser Lager aufschlagen und packen wirklich alles in den Bearcan. Bären sind hier Thema Nummer eins, deswegen schlafen wir in Dubois auch im Black Bear Inn. Hier ist wirklich alles Bär, vom Klopapier Halter bis zu den Bären Keksen, die der Stoff Bär für uns im Schoß hat. 

Als wir am nächsten Tag wieder aufbrechen, wird ein heimlicher Traum von Mona Lisa und mir Wirklichkeit: Nicholas nimmt uns in seinem Lastwagen mit!! Zwar müffelt es in seiner Kabine etwas nach ungewaschenen Klamotten, aber die Fahrt ist der Hammer! 

Da ich mir nach Dubois Kopfhörer bestellt habe, laufe ich nun mit Musik. Die Landschaft hier ist in ein ganz besonderes Licht getaucht und so schwebe ich mit Bob Dylan durch Wyoming. Nach einem Anstieg treffen wir auf Elettra, eine Italienerin, die natürlich auch 2019 auf dem pct war, aber dieses Jahr nur ein Stück des cdt läuft, da sie in Montana auf einer Bison Farm arbeitet. 

Elettra hat ein totes Eichhörnchen in der Hand und spielt damit, wie mit einer Puppe. Wir verstehen uns auf Anhieb. Später laufen wir durch eine weite Ebene, als wir Glocken und Hufe hören. Verdutzt schauen wir uns um und sehen 2 Reiterinnen, die uns zuwinken und uns zu verstehen geben, dass wir zurücktreten sollen. Dann rollt mit Getöse auch schon eine Horde Pferde über unseren Trail und fliegt an uns vorbei. 

Am Abend zelten wir mit Elettra und unterhalten uns noch, bis die Kälte uns in die Zelte treibt. Es ist wirklich schade, dass die Italienerin „nur“ 15 Meilen Tage läuft, wir hätten noch viele Geschichten und Erfahrungen austauschen können. 

Doch wir haben ein straffes Programm: 100 Meilen sind es von Dubois nach Old Faithful im Yellowstone Nationalpark, die camp spots mussten wir schon vorher buchen. Deswegen müssen wir am nächsten Tag 25 Meilen laufen. Hier müssen wir auch immer wieder Flüsse furten, manche breiter, manche schmaler, manche mit starker Strömung. Auch die Moskitos plagen uns hier sehr, auch ein Bad in 99% deet hilft hier nicht wirklich. Dafür treffen wir auf eine Männer-Wandergruppe, die mit 2 Lamas läuft!!! Die Lamas sind super flauschig und bespucken sich nur gegenseitig, abends streift ein Reh durch unsere campsite. 

Der nächste Tag startet mit einem großen Anstieg, doch mit Musik geht dieser auch vorbei. Nach 12 Meilen betreten wir dann auch schon Yellowstone und machen Pause bei einer Hütte, wo wir 2 australische hiker treffen. Heute müssen wir 26 Meilen zu unserem gebuchten Zeltplatz zurücklegen. Gegen Nachmittag fängt es an zu regnen, dann folgen Blitz und Donner. Wir verstecken uns mit 3 Southboundern unter den schützenden Bäumen und als wir dann endlich um halb 8 den Zeltplatz erreichen, sind wir pitschnass. Alles ist feucht, alles ist klamm. Gegessen haben wir dank des Regens auch zu wenig. Sogar der Schlafsack ist klamm und klebt an mir, meine Matratze hat seit dem letzten Stretch ein Loch, das wir nicht finden können und verliert über Nacht Luft. 

Der nächste morgen kann deprimierender nicht sein: kurz vor 5 klingelt der Wecker und wir quälen uns in die feuchten Sachen. Die Socken kleben wie kalte Froschhaut an den Füßen. Es ist widerlich. Und die Sonne scheint an diesem Tag nicht rauskommen zu wollen…. Eiskalte Flüsse müssen überquert werden…. Die Moskitos stechen….. ein schrecklicher Tag. Mittags kommt sie dann doch, die Sonne, und wir können all unsere Sachen auf einem trailhead neben dem Klo und den Abfalleimern ausbreiten. Hiker trash. Später werden sogar unsere Schuhe trocken. Es ist ein Tag der Auf und Abs: eine kleine Wandergruppe schenkt uns ihre Snacks, über die wir uns tierisch freuen, dann müssen wir wieder durch Schlamm waten. Auch heute Abend wird es keine trockenen Schuhe und Füße geben und das bedeutet, dass wir am nächsten Tag wieder in nasse, kalte Frosch-Socken und Schuhe steigen müssen. Ich bin genervt, ich bin frustriert, vor lauter Wut stapfe ich über ein Brett, das schief über einen Fluss führt, rutsche aus und lande im Schlamm-Tümpel. Pitschnass und schlammig verfluche und beschimpfe ich erstmal Yellowstone, Wyoming, den Trail, ziehe meine nassen Sachen aus, werfe sie auf den Boden, springe schimpfend wie ein Derwisch im Kreis herum, bis ich einsehe, dass ich nicht nackt weiter wandern kann, und ziehe mich wieder an. Meine Sachen trocknen etwas und wir nehmen unser Dinner bei den ersten Geysiren ein. Der Boden ist warm und aus jeder Ecke zischt und blubbert es. Wir wandern noch ein Stück weiter und haben nun am Abend Yellowstone ganz für uns. Eine phantastische Landschaft aus blau/gelb/orangen Pools und dampfspeienden Felsformationen liegt vor unseren Füßen, existiert im Moment nur für uns. 

Nächster Morgen: der Wecker klingelt um 4 Uhr, wir wollen so schnell wie möglich die restlichen ca 11 Meilen nach Old Faithful laufen, dort gibt es ein Frühstücksbüffet im Old Faithful Inn für 15$!!!

Um 08:30 sind wir dort, im Himmel! Nachdem wir eindeutig zu viel gegessen haben, machen wir es uns im 1. Stock bei den Aufladestationen bequem. In alten Sesseln kann man von hier wunderbar das Geschehen beobachten, die Besucherströme, die durch das alte Hotel ziehen, oder man kann einer Führung lauschen. Ich bin wahnsinnig müde und schlafe in dem alten Ledersessel ein. Als ich die Augen wieder aufschlage, wedelt eine Frau mit einem 10$ Schein vor meinem Gesicht herum.  Ob ich den cdt laufe. Ich soll mir doch ein Blaubeer Eis kaufen. Hiker trash unterste Stufe. Aber leicht verdientes Geld: man muss sich nur stinkend mit Rucksack in ein Nobel Hotel setzen. 

Ich beschließe, dass ich wach werden muss und steuere die Duschen des Hotels an. Eigentlich nur für Übernachtungsgäste, aber wer weiß das schon? Auf der linken Seite steht ein Schrank voller flauschiger Handtücher offen. Da ich mir nur meine Füße waschen will, klau ich mir nur ein winziges Handtuch. In den marmorverkleideten Duschen angekommen blicke ich auf das exquisite Duschgel, Shampoo und Conditioner und kann der Versuchung nicht widerstehen. Bevor ich mich versehe, stehe ich schon unter dem warmen Strahl. Sehr dumm von mir, nur das topflappengrosse Handtuch mitzunehmen. Wir kaufen noch Vorräte für die nächsten 2 Tage, Mona Lisa und ich kaufen auch neue Socken, die alten sind schlammig, sandig und nass. 

Insgesamt ein lohnenswerter Aufenthalt: für 15$ plus Steuer Frühstücksbüffet und diverse Getränke, abhängen in clubsesseln, etwas schlafen, duschen und 10$!!!

Wir laufen noch durch den touristischen Teil von Yellowstone und finden, dass wir das alles gestern Abend genauso schön, aber ohne Menschenmassen hatten. Nach 11 weiteren Meilen erreichen wir unseren Campingplatz und unterhalten uns noch mit ein paar southboundern. 

Die Meilen der Vortage toppen wir dann mit 28 Meilen am Freitag, wobei der Trail hier wirklich einfach zu laufen ist. Wir betreten kurz Idaho, kommen aber am selben Tag auch schon nach Montana!! Unser letzter Staat! Trotzdem sind wir am Ende des Tages erschöpft und schlagen unsere Zelte einfach neben einer dirt road auf, in der Hoffnung, dass schon kein Auto kommen wird….

05:30: town day!!! Schnelle 10 Meilen nach West Yellowstone, um kurz vor 9 sitzen wir schon beim Frühstück! Yellowstone liegt jetzt hinter uns und wir werden morgen einen alternativen Trail laufen, der ein Stück des cdt abschneidet. Immer mehr hiker entscheiden dich für diesen Weg, da die Montana/ Idaho Grenzregion etwas langweilig ist, man so Idaho auslässt und mit den Spanish Mountains und Tobacco Mountains tolle Berge besteigt. Außerdem spart man sich so ca 200 Meilen. Mona Lisa und ich möchten hauptsächlich früher fertig sein, Thomas will Idaho auslassen. 

Happy trails, happy foxes, happy life!

3 thoughts on “Days 107 – 114

  1. Und wieder frage ich mich WARUM?
    Die Vorstellung, schon am Morgen in nasse Sachen steigen zu müssen macht für mich nur beim Wellenreiten Sinn. Dass du wie ein derwisch herum springst sehe ich vor meinem innern Auge direkt vor mir.

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