Die Menge johlt und dampft, sie singt, schreit, klatscht und stampft, es ist heiss und riecht nach Tier und wir sind in der Mitte dieses bunten Treibens. Bunt, oder eher blau/ weiß/ rot, denn es ist der 4. Juli, Independence Day, und it‘s Rodeo time!!Alle sind hier stilecht angezogen, jeder ist heute Cowboy, ob jung, alt, dick oder dünn, und wer sich nicht in dieses Outfit geschmissen hat, der trägt Stars and Stripes, oder zumindest die Farben der Fahne. Eine ältere Dame trägt shorts und T-shirt mit Flagge, dort, wo die Kleidung aufhört, quillt eine Menge faltiges Fleisch in einzelnen Lappen heraus. Die Eltern von 5 Mädels dachten, es sei besonders originell, die Töchter alle in Cowboystiefel, blauen Jeansrock mit rotem Gürtel und weiße Bluse zu stecken und allen die gleichen 2 Zöpfe zu flechten. Die Mädels bekommen später vom Luftballon-Künstler alle Schmetterlinge, die Jungs bekommen Schwerter. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Wer nicht ganz in Flagge gestylt ist, hat zumindest ein paar Sternchen im Gesicht oder einen Sternen Haarreif. Es wird teures Bier getrunken, gegessen und über die schlechten Witze des Moderators und der Rodeo Clowns gelacht. Als die Nationalhymne erklingt, erhebt sich die Menge, fasst sich ans Herz und singt voller Inbrunst mit. Es werden eine Menge Rock- und Country Songs gespielt, deren zentrales Thema die Grossartigkeit der Nation ist. Ich versuche mir eine schwarz-rot-gold gekleidete Menge vorzustellen, die lobpreisende Lieder über Deutschland singt und kriege es irgendwie nicht hin. Hier, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist das aber alles kein Problem! Ich frage mich, wie es wohl ist, hier aufzuwachsen und schon als kleines Kind von allen Seiten zu hören, wie grandios das Land ist, in dem man lebt. Wo die Demokratie gepriesen wird, die gesiegt hat, die verteidigt wird. Wo ist diese Demokratie, wenn der Moderator schlechte Frauenwitze erzählt und jeder brüllt? Ist das Demokratie, wenn die traditionelle Familie hochgehalten wird, aber alles, was dieses konservative Bild verzerrt oder stört, einfach ausgeblendet wird? Und wo ist bitte die viel gepriesene Demokratie, wenn von einem unter Realitätsverzerrung leidenden, misogynen Ex-Präsidenten eingesetzte selbstgefällige Männer und eine bigotte Nebelkrähe über den Körper der Frauen des demokratischen Landes entscheiden? Deutschland erlaubt endlich „Werbung“ für Abtreibung, Amerika geht zurück ins Mittelalter und Frauen können sich jetzt wieder zu irgendwelchen Hexen in die Sümpfe schleichen. Und wenn dann von „Schutz des ungeborenen Lebens“ gesprochen wird, würde ich vorschlagen, doch auch mal „das geborene Leben“ von Milliarden Tieren zu schützen, die jeden Tag ermordet werden und wahrscheinlich auf den Tellern des Soupreme Courts als Mittagessen landen. Eigentlich wollte ich nicht politisch werden, aber das ist einfach eine Sache, die hier gerade Frauen und Männer, und besonders die „linksradikalen liberalen sozialistischen“ hiker beschäftigt. Abgesehen vom politischen nonsense wird heute gefeiert! Ich freue mich, wenn die Tiere gewinnen und wir amüsieren uns großartig und feiern die Grossartigkeit Amerikas einfach mal mit, man darf das alles nur nicht zu ernst nehmen, denn der Weg hierher nach steamboat springs war nicht einfach:
Zwei hohe Berge sind noch zu besteigen. Der erste Tag läuft gut, bis auf die Tatsache, dass Thomas seinen zweiten Trekking Pole zerstört. Nun muss er bis steamboat ohne laufen, dort wartet dann dank Leki der Ersatz. Wir schaffen Aufstieg und Abstieg, später laufen wir sehr lange durch eine „burnt area“. Vor 2 Jahren hat ein riesiges Feuer hier gewütet. Die Landschaft scheint surreal, wie ein paar Jahre nach einem Atomunglück. Die übriggebliebenen Baumstämme ragen in den Himmel. Schwarz wie Rabengefieder. Manchmal riecht es sogar noch verbrannt. Einige lila und gelbe Blumen haben die triste Landschaft jedoch schon wieder bevölkert. Wir überschreiten unsere 1000 Meilen Grenze und laufen bis zu einem trailhead, dort schlagen wir unsere Zelte direkt neben dem Highway auf, ausnahmsweise, bevor es anfängt zu regnen.
Der nächste Tag ist ganz furchtbar, zumindest für mich. Dank diafox geht es mir wesentlich besser, doch dieser 4000er hat den steilsten Anstieg des gesamten trails und in dieser Höhe laufe ich nur noch wie ein Zombie. Den letzten Teil laufen wir auf einem Grat, landschaftlich wirklich wunderschön, doch ich bin völlig am Ende und würde mich am liebsten entweder nach links oder rechts in der Tiefe stürzen :-). Wahrscheinlich ist der Mensch einfach nicht für die Höhe gemacht und die Berggeister gewähren uns nur eine bestimmte Zeitspanne in ihrem abgeschiedenen Reich. Wenn das letzte Sandkorn durch das Glas gefallen ist, sollten wir diesen Ort schleunigst wieder verlassen. Ich habe auf jeden Fall zu viel Zeit auf 4000 Metern verbracht. Ganz oben auf dem Gipfel steht eine Schutzhütte, da es hier meist sehr windig ist. Wir nutzen deren Wände, um mal wieder unsere Sachen zu trocknen. Dann geht es wieder hinab, wir haben ein gutes Zeitfenster erwischt, denn als wir nach ca 2 Meilen auf diesen spektakulären Gipfel zurückblicken, ist dieser in schwarz gehüllt. Wir glauben, das Gröbste sei nun geschafft, doch falsch gedacht! Es geht ständig wieder nach oben, hinter jedem Grat lauert ein neuer, nach ca 14 Stunden erreichen wir endlich total erschöpft unseren Zeltplatz für diese Nacht. Eine Stunde später stößt „Mishap“ zu uns, wir haben uns damals in Grants getroffen und waren in Cuba zusammen essen. Da ihre Gruppe entweder ein paar Tage zurückliegt, oder 4 Tage weiter ist, oder verletzt ist, wollte sie uns schon gestern einholen. Ab heute sind wir also zu viert.
Der nächste Tag ist dafür grandios, wir haben nur 19 Meilen zu laufen, da dann der Highway beginnt und dort können wir unser Zelt nicht aufstellen. Und es geht eigentlich nur geradeaus oder leicht bergab. Wir machen ausgedehnte Pausen, das Wetter ist bombig und wir sehen nach Wochen endlich wieder Kühe, mit welchen wir muhen. Dann geschieht das Unfassbare: wir reden sowieso die ganze Zeit entweder darüber, was wir in der Stadt essen, oder über Trailmagic. Just taucht rechts am Wegesrand ein Schild auf :
„Water, cookies, bacon, icecream. Come to the dark side“.
Wir laufen freudig auf einen etwas ramponierten Camper zu, und fragen zum Fenster hinein, ob hier die dark side ist. Das wird von einem Mann bejaht, der aus den Schatten tritt. Bacon hat er gerade nicht ( für uns kein Verlust ) und icecream macht er abends (????? )
Dafür gibt er jedem von uns ganze 2 Kekse. Was für ein Reinfall, die dark side!!!
Und es fängt mal wieder an zu stürmen. Das Tolle an Colorado ist, dass es meistens auch gleich blitzt und donnert, und sehr oft hagelt. Kurz vor dem Highway stellen wir unsere Zelte im nirgendwo auf, alles ist nass, alles ist schlammig, alles ist matschig. Es regnet weiter und wir verkriechen uns in unsere Höhlen. Zum Glück haben wir am nächsten Morgen nur ca 10 Meilen zu laufen, Thomas und ich bekommen sofort einen hitch von einem älteren Paar, dass mal eben zum 4. juli nach steamboat fährt. Wir sitzen hinten und kraulen die Hunde.
Endlich angekommen haben wir volles Programm: frühstücken, zum Hotel, kurz etwas einkaufen, Wäsche waschen und trocknen, schon wieder essen und schon geht es zum Rodeo. Angeblich muss man so ein Rodeo einmal gesehen haben …
Danach landen wir mit anderen hikern in einer Bar, am nächsten morgen schwören wir alle, nie wieder zu trinken. Doch es hilft nichts, wir müssen noch resupply machen und nebenbei kleiden thomas und ich uns komplett neu ein. Die Schuhe waren durch, meine Hose hatte Löcher an wichtigen Stellen und mein Longsleeve ebenso. Ich ziehe mich noch im outfitter um und gebe den netten Leuten dort meine stinkenden Schuhe und den Rest zur sofortigen Entsorgung. Dann gehts weiter zum Essen und zur Post, ich schicke meinen Bär Kanister weiter nach Lander, weil er mir einfach für den nächsten Stretch durch das Great Basin zu schwer ist. Thomas darf seine neuen Trekking poles abholen. Dann Kaffee trinken mit Mona Lisa und raushiken. Ich kann euch sagen, so ein hiker leben kann manchmal sehr stressig sein.
Happy trails, happy foxes, happy life!
Toller Post Myrtis! Und so ein bisschen Politik schadet auch nicht, hab mir eh schon gedacht, wie es euch wohl ergeht, wenn mir hier schon das Blut in Wallungen gerät bei dem, was da gerade abgeht. Und ihr seid ja so viel näher dran.
Ach und eure neuen Outfits habe ich schon auf dem Foto bei Facebook bewundert, sehr schick! Hoffe, es geht jetzt erstmal etwas flacher für euch weiter 😉 Wünsch euch was, Claudia
Viel Spaß beim einlaufen der neuen Schuhe!