To Forester

Von Lone Pine einen hitch zum Cottonwood Pass Trailhead zu bekommen ist nicht ganz einfach. Dass es am Vortag jmd. in 20 Minuten geschafft haben soll, macht uns aber Mut. Das Problem ist, dass der Wanderparkplatz zu dem wir wollen eine Sackgasse ist und 20 Meilen (32Km) entfernt sowie 6600 Fuß (2000M) über der Stadt liegt. Es gibt zwei Straßen, die von der Hauptstraße weggehen, die direkte liegt allerdings 5 Meilen (8 KM) außerhalb Lone Pines. Die Abzweigung in Lone Pine führt zum Whitney Portal. Dorthin hätten uns auch vier Autos mitgenommen, allerdings ist das zu weit weg, denn den Aufstieg über diesen Weg, darf man mit dem PCT Permit nicht nutzen. Mit Schildern bewaffnet platzieren wir uns an zwei strategischen Punkten, doch nur die besagten Whitney Aufsteiger halten an. Nach zwei Stunden beschließen wir dann aber in den sauren Apfel zu beißen und uns zwei Betten im Hostel und nächsten Morgen für 50 Dollar ein Shuttle zu nehmen.

Wir lassen uns jetzt ein wenig Zeit und machen jeweils einen gemütlichen 14- sowie einen 15 Meilen Tag. Wir verbringen 2 Stunden am Chicken Lake, ich springe in einen kleineren See, wir liegen auf einer Wiese, sitzen auf einem Plateau. Die Sierras sind wunderschön und es ist toll, dass wir etwas Zeit haben. Bei all der Schönheit vergesse ich an einem Tag glatt das Trinken. Als ich von der letzten Wasserquelle wieder aufsteige wird mir plötzlich schlecht und ich fühle mich ganz schwach. Wir schaffen es noch, dass Zeit aufzustellen, bevor ich mich übergeben muss. Die Kombination aus Dehydrierung sowie Höhe und Höhensonne haut mich um, aber als ich den Fehler bemerke, ist es schon zu spät. Ich habe etwas Angst, dass ich im Alter noch die Höhenkrankheit bekomme, aber pünktlich vor dem Aufstieg zum Forester Pass bin ich wieder fit. Außer dass ich etwas schwerer atme, beim Singen unterm Laufen Pause brauche und nachts schlecht schlafe, weil ich öfters aufwache und denke, keine Luft zu kriegen, hab ich in der Höhe keine weiteren Probleme. Auch mit Sonne und Hitze verträgt sich mein Körper normalerweise ganz gut, aber wenn er dann zu wenig H2O bekommt…

Der Forester Pass ist die Schlüsselstelle in den Sierras. Einige Hiker wagen sich bereits über ihn, wenn er noch tief unterm Schnee liegt. Die Strategie ist früh losgehen, wenn der Schnee gefroren ist und die Flüsse noch niedrig sind. Unter den Trailrunnern Grödl oder Steigeisen sowie einem Eispickel in der Hand heißt es dann, nicht runter fallen. Dafür wird man auf der Rückseite mit einer langen Rutschpartie, sogenanntes Glissading, den Pass hinunter zu einem gefrorenen See belohnt. Wir werden für den Abstieg zwar unsere Microspikes aufziehen, aber nur weil wir sie dabei haben.

Es ist halb sechs Uhr morgens. Wir stehen vor dem rauschenden Tyndell Creek und suchen nach einer Stelle, die nicht so tief ist. Wobei nicht so tief bedeutet, dass das Wasser möglichst unterm Knie ist. Joker hat sich das verletzte Knie verbunden, falls wir später im Schnee Postholing haben sollten, also öfter im Schnee einbrechen würden, und möchte früh morgens nicht mit einem nassen Verband weiter laufen. Wir finden eine gute Stelle, aber das Wasser ist eiskalt. Wie kalt? Seht hier.

Der Aufstieg zum Forester selber ist dann weniger anstrengend, als gedacht. Bevor es steil wird, überqueren wir ein kleines Schneefeld und die Schlüsselstelle ist ohne Gefahr begehbar. Auf dem Pass oben treffen wir Denali, der uns erzählt, dass er 71 ist und den PCT bis 76 abgeschlossen haben will. Wir machen ein Paar Fotos und uns bereit für den Abstieg.
Ach ja, es ist Naked Hiker Day. Ich hatte wirklich vor, im letzten, steilen Stück des Passes dieser Tradition zu frönen, aber ich ziehe mich immer mehr an, je näher wir der 4000 Meter Höhe kommen. Der Wind ist eisig und kriecht durch jede durchlässige Stelle unserer Kleidung. Aber natürlich kann er mich nicht davon abhalten, zumindest für ein paar Bilder zu posieren.
Gleich zu Beginn des Abstiegs wartet dann ein abschüssiges Schneefeld, das nun um kurz vor zehn schon leicht weich, aber immer noch sehr gut begehbar ist. Die Spikes geben uns zwar mehr Halt, wären aber auch nicht nötig gewesen. Alles in allem kommen wir ohne Probleme herunter. Wozu nur die ganze Aufregung?

Und dann stehen wir unten im Tal plötzlich an der kanadischen Grenze und haben gar kein Entry Permit. Hat dem Mounty denn niemand gesagt, dass das Programm eingestellt wurde? Es hilft uns nichts, wir werden verhaftet und müssen am Lagerfeuer einer Trailmagic beiwohnen, anstatt noch weitere Meilen zu laufen.
Eine Gruppe von Hikern macht jeden dritten Sommer im Juni hier unten Magic. Unter ihnen auch ein Kölner, der seit 10 Jahren in den USA und dessen Freundin in Nürnberg wohnt. Dass ich ihn im ersten Moment für einen Norddeutschen halte, bestätigt natürlich die bäuerliche Vorstellung, die man so über Bayern hat. Zu essen gibt es Tortillas gefüllt mit Käse, Wurst oder Bacon, Erdnussbutter und Marmelade gebraten auf einem wärmenden Lagerfeuer. Ja, es wird immer kälter und wir drängen uns dichter ans Feuer, sodass wir am nächsten Morgen alle frisch geräuchert sind. Außerdem gibt es einige Snacks. Ich esse etwas zu viele von den Bobo’s, weshalb ich mitten in der Nacht dringend das Zelt verlassen muss. Normalerweise ziehen sie die Trailmagic sogar noch größer auf, aber zu unserem Pech hat ihnen der Eselbesitzer, der ihnen sonst beim Transport hilft, abgesagt. Es ist aber dennoch ein wunderbarer Abend. Wir scherzen und lachen, erzählen Geschichten und lauschen ihnen.

Am nächsten Morgen wollen wir uns eigentlich Zeit lassen und erst am darauffolgenden Tag nach Bishop gehen. Als der Kölner anbietet, uns bis dahin mitzunehmen wenn wir zeitgleich mit ihm am 15 Kilometer entfernten Trailhead ankommen, ändern wir kurzfristig diesen Plan. Er läuft etwa eine dreiviertel Stunde vor uns los und meint noch, er sei wegen seinem Knie eh langsam. Wir bauen also ab und laufen los. Aber obwohl wir nur eine kurze Pause machen, haben wir ihn in den zehn Kilometern bis zum Kearsage Pass nicht eingeholt. Er ist wohl doch nicht so langsam. Also laufe ich beim Abstieg voraus und hole ihn tatsächlich am Parkplatz ein.

In Bishop gönnen wir uns einen Zero, bevor wir ins nächste 110 Meilenstück durch die High Sierras starten. Es ist etwas ungewiss, wie viel Schnee uns dort genau erwartet, aber sicher, dass wir auf ihn treffen werden. Bisher ging es besser als erwartet, aber uns steht jetzt noch ein hartes Stück bevor.

Gehen wirs an, happy trails.

Ein Video rund um den Aufstieg zum Forester gibt es hier.

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