Grand Canyon – Der Bericht

You can check-out any time you like, but you can never leave …

Gefangen im Canyon
Manche Menschen behaupten, der Grand Canyon sei nur ein großes Loch im Boden. Diese Menschen waren entweder nie dort, oder besitzen keinerlei Emotion, denn der Grand Canyon ist magisch, atemberaubend und überwältigend!
Als ich das erste Mal mit meiner Schwester dort war, konnten wir es nicht fassen: ich habe überall nach dem Riss in der Matrix gesucht, dem Loch im Poster, dem Nagel in der Tapete, dem Fehler in der Projektion! Diese Weite und Schönheit ist unglaublich! Selbst beim 3. Mal war ich erschüttert und musste mir einige Tränen aus den Augen wischen.
Der Weg zum Canyon von Flagstaff aus, ca 120 Meilen, ist noch schön flach und mit unseren neuen Schuhen grandios zu laufen. Landschaftlich relativ unspektakulär nähern wir uns unbemerkt dem großen Highlight. Wir treffen True, die nun wieder mit 2 Hunden läuft und gerade versucht, sich aus dem Leinen-Gewirr zu befreien. Wie in einem Sketch haben beide Hunde sie total eingewickelt. Ich hoffe, sie hat nur Spaß gemacht, als sie meinte, sie würde den weißen gerne erschließen! Ich wollte ihr aus Angst schon fast einen der beiden abnehmen! Wasser ist hier wieder spärlich, unser Rekord liegt nun bei 35 Meilen (56 km) ohne. Auch das geht irgendwie. Nach 5 Tagen zelten wir am Rand des Nationalparks und laufen am nächsten Morgen nun auf gepflasterten Wegen die letzten Meilen. Ich muss zugeben, es ist ein tolles Gefühl! Während alle anderen mit dem Auto zum Canyon fahren, sind wir einfach mal fast 700 Meilen dorthin gelaufen! This is how you do it!
Es gibt eine extra hiker/ biker section, die uns ganze 6 Dollar kostet, und das schwer zu erlangende permit für die Übernachtung unten im Canyon wird für AZT hiker einfach so möglich gemacht! Grandios!
Wir treffen Steady und Bubblehead wieder, beide wollen am nächsten Tag den Abstieg wagen. Zu uns gesellen sich Paul aus Kanada und 88, eine ziemlich coole solo hikerin, etwas älter als ich. Es wird ein feucht-fröhlicher Abend, doch wir können am nächsten Tag ausspannen: wir spielen Touristen. Als wir zurückkehren, liegt „rocketman“ ein 25 jähriger hiker aus dem mittleren Westen auf der Bank des Campingtisches und hält ein Schläfchen. Was soll ich sagen, Details spare ich hier aus, die Moral der Geschichte: trinke niemals mit 25 jährigen aus dem mittleren Westen. Weder Thomas und ich, noch rocketman oder 88 gehen am nachsten Tag in den Canyon. Rocketman ist ein wahrer kleiner Teufel mit viel Charme! Er wandert, seit er 17 ist und ist den AZT schon 2 mal gelaufen, auch sämtliche anderen trails. Und das in Sandalen. Auch im Schnee. Er läuft alleine und schlägt gerne mal bei anderen hikern auf, um Unruhe zu stiften ;-). Er erzählt uns vom Fluch des Canyon: bis jetzt hat er es nie geschafft, den Canyon zur geplanten Zeit zu verlassen. Man sitzt hier fest, der Schönheit verfallen. Am Abend gesellt sich Bluejay zu uns, der unsere Namen im Trail Register gesehen und uns verfolgt hat.  Wir haben uns in Payson schon einmal getroffen. Ein sehr angenehmer 33 jähriger hiker aus California.
Tatsächlich schaffen wir es dann am nächsten Tag, den Bann zu brechen und steigen endlich in den Grand Canyon ab! Vom south rim mit Pinien schraubt sich der Weg über Stein-Stufen nach unten, bis zu einem ausgesetzten Plateau. Dann geht es in switchbacks weiter in die Tiefe. Das rosa-Orange der Felsen wird dunkler, bald schon verschluckt und ein Schlund aus dunkelrotem Sand. So grandios muss der Weg zur Hölle aussehen. Doch dann, endlich, gibt der Schlund den Blick auf den smaragdgrünen Colorado River frei! Wie ein karibischer Strand liegt er unten und wartet auf uns. Es wird heiß, auf dem Abstieg gibt es kein Wasser und ich bin so verzückt, mein Gehirn überschlägt sich vor Glück, dass ich wie schon so oft nicht merke, dass ich überhitze. Endlich unten am bright angels campground sitzen wir dann am Fluss in spärlichem Schatten die Hitze des Tages aus, denn wir müssen noch 6 Meilen weiter, zum cottonwood campground. Bei dieser Hitze hier unten nicht machbar. Mein Schädel dröhnt und mir ist schlecht. Schimmernde Eidechsen machen Push-ups für uns und gegen 16 Uhr laufen wir weiter. Der canyon selbst ist eine unberührte Landschaft, das Paradies im Urzustand. Ein Reh läuft völlig unbeeindruckt vor uns auf dem Trail, vielleicht das 1. seiner Art. Wasserfälle und kleine Pools schlängeln und winden sich an uns vorbei, und ich bin mir nicht sicher, ob jemals irgendjemand vor uns auf diesem Boden entlang gewandert ist. Durch rote Schluchten führt uns der Weg, hinter jeder Kurve eine neue Überraschung . Nachts umgibt uns ein Himmel gespickt mit unendlich vielen Sternen, wie dunkelblauer Samt liegt er auf unserem Zelt. Ich bin der einzige Mensch auf der Welt, der das sieht, die Sterne leuchten nur für uns.
Der Aufstieg ist dann hart, aber machbar. Der north rim liegt 300 Meter höher und die Landschaft ist schroffer, die Schluchten tiefer, wir schrauben uns durch eine Klamm nach oben, dann wird der Canyon weiter und wir stehen auf einem kleinen Plateau mit Aussicht bis zum southrim. Wenn man genau hinsieht, kann man unseren Weg verfolgen, das Plateau, der Schlund, der River, der Canyon. Wir sind überwältigt. Der Grand Canyon berührt etwas ganz tief im Menschen. Für mich ist es ähnlich, wie auf einem hohen Berg zu stehen, der schon seit Urzeiten existiert oder den Wellen eines Ozeans zu lauschen. Der Schleier lüftet sich für einen Augenblick, und wir können einen kurzen Blick auf die Ewigkeit werfen.
Ein paar letzte switchbacks und nach ca 4,5 Stunden sind wir auch schon auf dem north rim!
Hier geht es viel entspannter und ruhiger zu, als auf der anderen Seite, nur wenige Menschen verirren sich hier her. Beim General Store treffen wir auf : rocketman, again! Den werden wir einfach nicht los.
Der Zeltplatz für hiker und biker ist hier sehr exklusiv, unser Zelt steht eigentlich direkt am rim! Was für eine Aussicht. Der wahrscheinlich genialste Zeltplatz der Welt, für 4 Dollar!
Mal wieder, denn so ist der Fluch des canyons, beschließen wir, eine Nacht zu verlängern und gehen zum Frühstück in die sehr beeindruckende north rim Lodge, Zimmerpreis 500 Dollar die Nacht, und speisen in unseren löchrigen hiker Outfits mit den Reichen. Für 20 Dollar schlagen wir uns am buffet dann ziemlich den Bauch voll.
Als wir unsere Wäsche machen, kommt Bluejay! Ein grandioser Abend mit guten Gesprächen und wärmendem Feuer. Diesmal nutzen wir unsere teuflischen Überredungskünste und rocketman bleibt auch noch eine Nacht.
Schweren Herzen verlassen wir dann nach fast einer Woche einen der schönsten Plätze der Welt. Der Bann ist gebrochen, doch das war eindeutig nicht das letzte Mal!
Happy trails!

7 thoughts on “Grand Canyon – Der Bericht

  1. Hi ihr zwa , eure Bilder geben uns ja immer einen Einblick in die grandiose Landschaft. Es ist atemberaubende schön. Ihr seht glücklich aus und genießt eure Freiheit. Es ist Spitze was ihr da leistet, und das alles zu Fuss. Wir wünschen euch weiterhin Happy Trail und freuen uns auf die nächsten Bilder und Berichte.

  2. Eine wahrlich zauberhafte Beschreibung der Erlebnisse und der Eindrücke. Starke Emotion in traumhafte Worte gebracht. Weiter so! Liebste Grüße Hans

  3. „Der Grand Canyon berührt etwas ganz tief im Menschen“ – und eure Zeilen und Fotos lassen uns teilhaben und träumen.
    Ganz herzlichen Dank, ich bin für einen langen Moment mit euch unterwegs.
    Eure Corinna

  4. Deine Bemerkung über die Ewigkeit hat mich an eine Geschichte erinnert:
    „Opa, wie lange dauert die Ewigkeit?“ fragt der Enkel. Der Großvater antwortet: „Alle 1000 Jahre kommt ein Vögelchen zum höchsten Berg der Erde um seinen Schnabel zu wetzten. Wenn der Berg abgewetzt ist, ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei.“
    Eure Bilder sind ein Traum. Weiter alles Gute und bringt viele schöne Erinnerungen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert