Honeymoon Hiking Part 2

Am Freitag starten wir dann endlich unsere ca 100 Meilen (160km) lange Etappe nach Cuba. Es ist eisig, als wir in den frühen Morgenstunden loslaufen, und wie so oft, müssen wir erstmal ein langes Stück an der Straße entlang. Dort treffen wir einen Bauarbeiter, der uns berichtet, dass Cuba ja gar nicht weit ist. Er war nämlich gestern dort, mit dem Auto. Und Schnee liegt da auch keiner auf der Strasse. Als wir ihm allerdings eröffnen, dass wir ja laufen und der trail auf fast 3000 Meter hinaufführt, schaut er etwas irritiert. Die Sonne kommt heraus und als wir an der Abzweigung zum Trail ankommen, schlagen wir aus einer Laune heraus Chance Schnee-Warnungen in den Wind. Wir finden, dass es hier gar nicht nach Schnee aussieht und folgen der ursprünglichen Route. Diese beginnt auch einfach traumhaft: der trail schlängelt sich in Serpentinen nach oben und katapultiert uns aus der staubigen Wüste hinauf in eine angenehme, frische Wald- und Berglandschaft. Die Aussicht ist Wahnsinn und wir laufen zufrieden mit unserer Entscheidung weiter. Nur Wasser finden wir keines, die wenigen Wasserstellen aus Farout sind leider trocken. Von weitem blitzt der Mount Taylor am Horizont hervor, schneebedeckt, aber wir wollen ja nicht ganz auf den Gipfel. Bald beginnen auch die ersten Schneefelder, die wir aber mit Leichtigkeit meistern.  Immer höher führt uns unser Weg, und nun werden die Schneefelder richtig tief, bis zur Hüfte versinken wir darin, jeder Schritt ist wahnsinnig mühsam und wir verschwenden ziemlich viel Zeit damit, uns von einem Schneeloch ins nächste zu bewegen. Inzwischen ist es auch schon 18 Uhr, um uns herum alles weiss, so fällt es uns auch ziemlich schwer, dem trail zu folgen. Hier das Zelt aufzubauen ist unmöglich, ganz langsam beschleicht uns Panik. Als Thomas dann bis zur Brust in einer Schneewehe versinkt, werden wir etwas hysterisch ;-). Doch mit ein bisschen Ruhe und Verstand finden wir den trail und auch einen Forstweg, wo wir schon fast im Dunkeln unser Zelt aufstellen. Der schmelzende Schnee am Wegesrand lässt sich auch wunderbar auffangen und filtern, damit wäre das Wasserproblem auch gelöst. Für den ersten Tag etwas zu viel Abenteuer!
Deswegen beschliessen wir, am nächsten Morgen den trail hier für ein Stück zu verlassen, und auf dem Forstweg zur von Chance beschriebenen Alternativroute zu gelangen. Das bedeutet zwar nun, erstmal auf der Straße weiterzulaufen, doch der Schnee ist hier viel weniger und die Navigation auch einfacher.
Die nächsten beiden Tage sind erstmal geprägt von vielen, vielen roadwalks. Bald schon lassen wir den Schnee hinter uns und stoßen wieder auf den trail, das schwerste Stück ist geschafft! Nun führt unser Weg durch typische New-Mexico-Gegend: staubig rote Wüstenlandschaft mit den charakteristischen sage brushes (Wüstenbeifuß) am Straßenrand, trocken und wasserarm. Der Wind schneidet uns ins Gesicht, die Sonne brennt und unsere Kleidung ist voller Staub: wie haben wir das vermisst!
Auch typisch für New Mexico führt uns der trail aus der Wüste immer wieder hinauf in den Wald, der etwas Kühlung verspricht. Ich atme die frische Luft ein, rieche den Duft der Pinien. Kein anderer Sinn löst so starke Erinnerungen und Gefühle aus wie der Geruch, ich schwimme in einem Meer voller wunderschöner Trail-Erlebnisse und bin wahnsinnig glücklich. Dieser Geruch ist es, der für mich alles komprimiert.
Die Wassersituation ist immer noch etwas grenzwertig. Da wir scheinbar erst die dritten Menschen in diesem Trail-Jahr sind, welche diesen Stretch laufen, sind die Kommentare zu Wasserquellen in unserer App spärlich. Deswegen tragen wir immer ca 3 Liter Flüssigkeit mit uns herum. Unsere Rucksäcke sind schwer, doch ich liebe dieses Gewicht auf meiner Hüfte. Schritt für Schritt tragen wir es weiter, es gibt nichts Schöneres. Es fühlt sich richtig an. Alles was wir brauchen befindet sich auf unserem Rücken und dieses Gefühl der Freiheit gepaart mit dem Pinienduft lässt mein Gehirn fast explodieren. Abends bauen wir unser Zelt auf Kuh-Land auf, neben Kuh-Scheisse, es ist wunderbar. Die Sonne geht unter und die Sterne schleichen sich auf den Nachthimmel. Jede Nacht geben die Kojoten ein Konzert, nur für uns.
Dann endlich, am vierten Tag, erreichen wir morgens die Kante eines gigantischen Tals, eines Kessels aus Canyons und Feuerbergen. Dieser Anblick hat uns schon vor zwei Jahren einfach umgehauen, und er tut es wieder. Zwei Tage passieren wir die wunderlichen Felsformationen, gelbe, rote, orange Canyons und klettern majestätische Tafelberge rauf und runter. In der vorletzten Nacht sind wir dankbar für einen Water-cache, den trailangels hinterlassen haben und haben Mühe, unser Zelt aufzubauen: der Wind peitscht orkanartig durch die weite Ebene und es regnet in Strömen. Dafür schenkt uns der trail am letzten Abend eine unvergleichliche Nacht hoch oben auf einem Tafelberg: wir überblicken von hier aus nochmals den gesamten Kessel, den wir in den letzten 2 Tagen durchwandert haben. Ganz unten trinken die Kühe aus einem Kuhteich und die Kojoten heulen. Eine rote Sonne geht unter und hüllt Tal und Berge in unvergleichliches Licht. Mehr kann man nicht erwarten.
Der nächste Morgen spült uns dann nach Cuba hinein, unser Ziel auf dieser Reise. Zwei nette Native Americans nehmen uns vom trail mit in das kleine Städtchen. Sie sind Mutter und Tochter und leben irgendwo in dem Tal, auf das wir gestern geblickt haben, mitten in der Wildnis ohne fließend Wasser. Die alte Mutter hat ihr Leben lang ohne gemeistert, jetzt braucht sie es auch nicht mehr, meint sie lächelnd.
Unser Ziel ist das Cuban Café, die beste Adresse für ein echtes Diner-Frühstück und Treffpunkt aller hiker. Manchmal glaubt man, dass Diner in Filmen klischeehaft dargestellt werden. Wenn man das Cuban Café betritt, wird man eines Besseren belehrt:
wir schwingen die Tür auf, es duftet nach Kaffee und Pancakes, die Melodie eines Countrysongs setzt aus der Jukebox an und die Menschen, die sich hier zum Frühstück versammelt haben und Neuigkeiten austauschen, nicken uns lächelnd zu, heißen uns willkommen. Der Wirt kommt freudestrahlend zu uns uns fragt, wo wir denn so lange gewesen sind. Wir sind hiker und die Vorhut eines Schwarms von Zugvögeln, der das kleine Städtchen noch besuchen wird. Wir sind hiker und nun weiss ich ganz genau, dass wir das für immer bleiben werden.

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